Der durchtriebene Gastwirt

 

 

 

Traun’n, irgend ein grosser Sünder ist’s,

der Gottes vergass und Jesu Christs.

Und eichene Stämme nun zur Buss‘

Auf jenen Grat dort wälzen muss.

 

 

 

 

Der durchtriebene Gastwirt

 

Die Geschichte weiss zu berichten von einem besonders hinterhältigen Gastwirt. Die Schenke zum Schwert in Ettiswil war Tatort gar mancher Schandtat. Lasst hören aus alter Zeit.

 

Damals war Bättig Fritz Gastwirt. Zusammen mit seiner Frau Sybille, genannt Susi, führte er die Schenke mehr schlecht als recht.

 

Bättig gefiel sich in der Rolle des Alleinunterhalters, gerne spielte er den Dorftrottel. Er fiel auf durch seine flotten Sprüche. Sein dümmliches, einfältiges Gerede war indes nicht bei allen Leuten beliebt. Wer an sich hielt, über Intellekt und Verstand verfügte, hielt sich von dieser Gaststätte fern. Namentlich der Dorfpfarrer war ein seltener Gast. Er war lediglich im Lokal anzutreffen, wenn es nach einer Trauerfeier erwünscht war, das Leichenmahl im Kreise der Familie abzuhalten; und er ausdrücklich um die Teilnahme angehalten wurde.

 

Bättig pflegte in seinem Lokal das Kartenspiel (Karnöffel-Spiel). Die Tischregeln waren so ausgelegt, dass jeder für sich spielte.

(vgl. dazu auch: Die drei Spieler / Geschichte vom Hl. Blut / Willisau )  Selbstverständlich spielte man um Geld – viel Geld. Manchmal wurde um Haus und Hof gespielt.

 

Bättig hatte seine ur-eigene Philosophie; welche er aber tunlichst zu verschweigen wusste: Ein kluger Mann kann sich wohl dumm stellen; das Gegenteil ist bedeutend schwieriger! Getreu nach diesem Motto stellte er zur Schau, wie blöd und einfältig er doch war. Und er spielte seine Rolle gut.

 

Am runden Tischli in der Ecke wurde häufig gespielt. Er hatte seinen Stammplatz (aus gutem Grund; denn dort befanden sich in geheimen Ritzen die Trümpfe, Kaiser und Stecher, welche er für sein gezinktes Spiel benötigte!)

 

Bättig war schlau. Sein Gehirn von höchster krimineller Energie! In voller Absicht verlor er alle paar Monate ein Spiel. Dann wurde eine Sau geschlachtet. Das halbe Dorf fand sich ein zur „Meztgete“; wobei alle Gäste mit Speis und Trank versorgt wurden. Musikanten spielten auf. Es war ein riesen Gaudi … (Heutzutage nennt man das Marketing / Promotion oder so )

Bättig scheute sich nicht, seine Frau, die Sybille, genannt Susi, lauthals zu massregeln und zu beschimpfen. Nichts konnte sie recht machen. Allerlei Kraftausdrücke – namentlich aus dem Fäkal- und Genitalbereich, aber auch aus dem Bereich der Zoologie, wurden bemüht. In diesem Sinne war sein Einfallsreichtum enorm.

 

Diese Zwietracht war indes zur Schau gestellt. Susi spielte ihre Rolle als tollpatschige, treu-ergebene Hausmagd hervorragend. Geduldig liess sie alle Beschimpfungen und Erniedrigungen über sich ergehen.

In Tat und Wahrheit war sie die perfekte Verbündete!

Insbesondere beim Kartenspiel war sie ihrem Ehemann zu Diensten. Mit gekonnter Mimik und Gesten verriet sie, welche Karten die Mitspieler hatten. Mit verheerendem Ausgang für die Betroffenen!

 

Also erreichte auch Kari von der Brestenegg das selbe Schicksal wie schon etliche vor ihm – und nach ihm.

 

Kari war durch Erbfolge zu einem ansehnlichen Besitz gelangt. Sein Gehöft befand sich ganz hinten im Tal. Es umfasste nebst grosser Land- und Weidefläche auch einen stattlichen Wald.

 

Kari war von äusserst bescheidener Intelligenz. Insbesondere mit dem Weibervolch bekundete er grosse Mühe. Aus diesem Grund ist wohl verständlich, dass er ledig und alleine war.

 

Wie es sich für einen Christenmenschen gehört, besuchte er jeweils am Sonntag, die heilige Messe in Ettiswil. Danach verbrachte er üblicherweise den Nachmittag in der Gaststätte zum Schwert. Nur allzu oft liess er sich zu einem Kartenspiel mit dem Gastwirt überreden. Wobei er meist erfolgreich war; insofern er den Spieltisch mit einem kleinen Gewinn verliess. Auch für Speis und Trank brauchte er in aller Regel nicht aufzukommen.

 

Und so kam es, wie es kommen musste. An einem besonders verregneten Sonntag ereignete sich die Tragödie. Kari hatte gute Karten. Mal für Mal gewann er das Spiel. Heute, so glaubte er, war sein Glückstag. Bereits hatte er eine stattliche Summe erspielt.

 

Auch beim letzten Spiel hatte er ein gutes Blatt. Trumpf-König (de Fuu) , den „Grüen“ (Eichel-Banner) und den „Tätsch“ (Schilten-Banner) , also zwei Kaiser. Aber vor allem „de Tüfel“ (Trumpf Sieben). Zudem konnte er das Spiel eröffnen. Und wie man das in so einem Fall immer tut, eröffnete er mit der Trumpf Sieben.

 

Sofern vorhanden, sticht der Gegner in einem solchen Fall mit dem Karnöffel (Trumpf-Buur). Da dies nicht geschah, war Kari überzeugt, dass diese Karte nicht im Spiel war …

 

Als nächstes spielte er den Trumpf-König. Auch diesen Stich konnte er bei sich behalten; worauf er mutig „Spöu drüü“ meldete, womit sich der Wert des Spiels um drei Punkte erhöht.

(Anmerkung für Kenner des Karnöffelspiels: Da sein König nicht gestochen wurde, nahm er an, dass keine König-Stecher im Spiel seien; als da wären: Trumpf-Sechser, Trumpf-Ass und „De Blass“ / Rosen-Banner)

 

Bättig fluchte und jammerte, wie es bei ihm üblich war. Jeder sollte glauben, dass er nichts (lausige Karten) in seiner Hand hielt.

 

Als nächstes spielte Kari, wohl etwas unentschlossen, den „Tätsch“. Dieser Stich ging mit der Trumpf vier an Bättig. Dieser spielte nun seinerseits einen „Mann“ (=König). Mit dem Widli (= „Grüen“ / Eichel-Banner = kein Königstecher!) konnte Kari dem nichts entgegen halten.

 

Nun nahm Bättig seinerseits ein „Spöu drüü“; sehr theatralisch und etwas zögerlich. Oft hatte Bättig so gespielt und nachher nur noch eine leere Karte ( drei bis neun von irgend einer Farbe) gehabt. Also wurde Kari übermütig. Siegesgewiss erhöhte er abermals – und Bättig hielt dagegen. Irgendwann war die Tafel voll mit Kritz und Dreiern. Bättig fragte Kari mit heuchlerischer Stimme, ob er nicht den Hof aufs Spiel setzen wolle, da er sich ja seiner Sache so sicher sei. Er selber würde  mit zwölf Goldtalern (wohl der doppelte Gegenwert !) dagegen halten. Kari willigte ein.

 

Als letzte Karte spielte Bättig den Trumpf-Buur / Karnöffel. (der höchste Stecher !) Woher er diese Karte wohl genommen hat? Das weiss nur er und Gott allein!

 

Spielschulden sind Ehrenschulden. Kari tat, was in dieser Zeit Brauch und Sitte war. Er trat seinen Besitz ab.

 

Doch Bättig war ihm „gnädig“. Er durfte auf dem Hof weiter leben, brav die Tiere pflegen und arbeiten, wie es dem neuen Schirmherrn gefiel.

 

Schon wieder war Bättig um eine Liegenschaft reicher geworden. Wie er es in unregelmässigen Abständen / so alle drei bis vier Jahre / vorher tat. Und wie er es auch nachher tat.

 

Bättig wählte seine Opfer mit Bedacht. Am liebsten waren ihm die treuen Kirchgänger; denn diese waren Autoritäts-Gläubig und der von ihm gefälligen „Ehrenhaftigkeit“.

 

So kamen über die Jahre etliche Güter, Bauernhöfe, Häuser und Werkstätten, ja sogar eine Schenke in Ruswil zusammen, welche er auf diese Art ergaunert hatte. Doch am meisten freute ihn, dass er einem Pfaffen aus Sursee Ross und Wagen abluchste und dieser zu Fuss den Heimweg antreten musste.

 

Möglicherweise war es aber gerade dieser Pfaff, welcher beflissentlich Nachforschungen erstellte. Nach und nach trug er die Geschichten zusammen.

 

Anklage brauchte er nicht zu erheben; denn bis dahin war das Glücksspiel erlaubt und geduldet.

 

Immerhin konnte er erreichen, dass sich die Regierung über den Fall Bättig beugte und einige Jahre später ein Verbot für das Kaiserspiel erliess.

Für die Opfer von Bättig kam diese Erleuchtung aber leider zu spät.

 

Bättig indes kümmerte das alles nicht. Er gab sich weiterhin der Trunksucht und der Völlerei hin. Und wenn es ihm danach war, kam von irgendwo ein „Chart“ (Karnöffelspiel / Karnöffelkarten) her. Und man spielte ganz unverdrossen. Er verspielte mal wieder eine Sau, hin und wieder eine Saalrunde. Doch schlau wie er war, hielt er mit den grossartigen Gewinnen von Haus und Hof zurück.

 

Wie Bättig zu Tode kam? Das wusste damals keiner. Irgendwann war er einfach verschwunden. Man erklärte ihn als verschollen.

 

Später fand man die Notizen beim Pfaffen von Sursee. Ob seine Geschichte stimmte, wusste er selber nicht so genau. Ihm war nämlich zu Ohren gekommen, dass Bättig bei seinem „Kollegen“ in Ruswil war, um den Zins einzufordern. Dar Gastwirt von Ruswil, welcher seine Schenke im Spiel an Bättig verloren hatte, lockte ihn unter einem Vorwand in das Kellergewölbe. Doch die alte Holztreppe gab unter dem enormen Gewicht von Bättig nach und dieser stürzte in die Tiefe. Benommen, wie er da lag, wurde er sogleich gefesselt und geknebelt. Auf diese Weise soll Bättig elendiglich verhungert und verdurstet sein – für ihn wohl der schrecklichste Tod überhaupt.

 

 

Jedoch – für alle Beteiligten ist es klar, dass Bättig nie zur Ruhe kam. Er muss im Enziloch wandeln bis zum Jüngsten Gericht.