De Bieri vo Kepinhouva

 

Ein Strolch, der aus dem Paradies

Des Überflusses den Armen stiess.

Ein Richter, der um schändlich Geld

 In Gunst oder Hass den Spruch gefällt. 

 

 

Bauer Rudolf Bieri von der Löh war der jüngste von vier Brüdern.

 

Die zwei ältestes waren bereits früh gestorben.

Der letzte Bruder starb an akutem Schädelbruch.

Er wollte das Pilzgericht nicht essen …

 

Bieri fand indes einen milden Richter (Leonz von Moos)

Er musste dem Pfarrer einen Taufstein spendieren

(vgl. dazu die Geschichte von Amsoldingen)

 

Richter von Moos erhielt seinen Anteil in Naturalien. Er wurde reich belohnt mit Fleisch, Gemüse, Eiern und Korn. Von allem, was auf dem Löhhof produziert wurde, erhielt er seinen Anteil.

 

 

„Ohni Gäld cha der Advokat ned dänke“

 

 

So sprach Richter Leonz von Moos / genannt Lonzi

Zu Lebzeiten des Ruedi Bieri, genannt Ruedeli ( aufgrund seines geringen Körperwuchs!) erstreckte sich die Liegenschaft Löh auf der gesamten Dorfbreite. Sie lag im Norden des Dorfes – also auf der Sonnenseite. Die Vorfahren von Ruedeli hatten das Land urbar gemacht. Viel Wald wurde gerodet, um bestes Weideland zu gewinnen. Oben am Hang liess man ausreichend Bäume stehen um genügend Holzvorrat zu behalten. Unten am Hang, wo das Gefälle weniger steil war, konnte sogar etwas Ackerbau betrieben werden.

 

Recht interessant – oder vielleicht merkwürdig – war die familiäre Situation der Bieri’s. Da war zunächst Vater Bieri, ein arbeitsamer, tüchtiger Mann. Er gönnte sich selber nur das Nötigste. Viele bezeichneten ihn als „knieprig“. Niemals liess er sich etwas zu Schulden kommen. Das erweckte den Neid und die Eifersucht bei den Nachbarn, welche es nicht unterlassen konnte, ihn bei den Behörden anzuschwärzen. Aus diesem Grund musste Vater Bieri ab und an zur Busse (welche jeweils völlig willkürlich und keines Falles zu Recht ausgesprochen wurde!) Frondienste leisten.

 

Mutter Bieri war eine auffallend liebreizende Frau. Sie war hübsch und wohlgeformt. Ihre Worte wählte sie mit Bedacht. Sie war eine weise Frau.

 

Ruedelis Brüder waren grossgewachsene, stämmige Burschen. Kräftige und von zupackender Art.

 

Im Dorf ging daher das Gerücht um, Ruedeli sei wohl nicht ein richtiger Bieri. Namentlich die Rätschweiber wussten zu Berichten, dass die Ähnlichkeit zu Richter Von Moos kein Zufall sein könne. Auch dieser war ein kleiner, schmächtiger Mann. Auffällig bei den Von Moos war, dass der Zeigefinger kürzer war als der kleine Finger. Auch bei diesem Merkmal stimmte Ruedeli mit Von Moos, dem Richter, überein.

 

Ruedeli fiel schon als Kind auf. Er war leutselig, gesprächig, aber auch listig. Kein Lausbubenstreich, kein Schabernack, welchen er ausgelassen hätte. Besonders aber war, dass er bei jeder Gelegenheit, bei welcher der Störmetzger zu gegen war – also wenn ein Tier geschlachtet wurde – der kleine Ruedeli immer zu forderst anzutreffen war. Bereits als Dreikäsehoch fand er gefallen am Töten der Tiere.

 

Diese Verhaltens-Auffälligkeit hätte einem zu denken geben müssen. Vielleicht hätte man Schaden abwenden können. Doch nichts dergleichen geschah. Mit geradezu stoischer Gelassenheit nahm man die seltsame Eigenheit zur Kenntnis. Mit fatalen Folgen!

 

Ruedeli hatte noch die eine oder andere Schwester, welche nach ihm kamen und die Jugend erlebten. Bei den Brüdern, die nach ihm geboren wurden, kannte er jedoch kein Pardon. Diese starben, so machte es den Anschein, den frühen Kindestot. Man nahm das als Gottgewollt hin. Welch‘ tragischer Irrtum!

 

In Tat und Wahrheit war es Ruedeli immer gelungen, sich an die Wiege der Säuglinge heranzuschleichen. Er liess die Schreihälse verstummen, indem er ihnen Mund und Nase zudrückte. Genüsslich beobachtete er, wie sich die Kleinen zappelnd und gurgelnd vom Leben verabschiedeten. Danach machte er sich aus dem Staub.

 

Bald erkannte Ruedeli, dass er in der Erbfolge ganz zu hinterst war. Da waren noch drei ältere Brüder, die ihm im Wege standen.

 

Zunächst kam ihm zu Gute, dass er immer bei der Metzgerei dabei war. Damals war es üblich, den Saumagen mit allerlei Innereien, mit Fett und Schwartenmagen und anderem Beigemüse zu füllen. Bei einer günstigen Gelegenheit fügte er noch ein paar getrocknete Pilze bei (Knollenblätter und andere …) . Beim Abendmahl verzichtete Ruedeli auf die Delikatesse und beschränkte sich auf Speck und Bohnen.

Onkel Bruno, der eine Bruder und zwei Schwestern überlebten diesen Giftangriff jedoch nicht …

 

Später, es mag wohl im Frühling gewesen sein, stand Suppe und Salat auf dem Speisezettel. Ruedeli mischte noch ein paar Blumen (Eisenhut und andere … ) in den Salat.

Ein weiterer Bruder und zwei Schwestern überlebten die Attacke nicht.

 

Der letzte verbliebene Bruder war eine Herausforderung. Er ass nur Brot, Getreide und gekochtes Gemüse. Mit Gift war ihm nicht beizukommen.

 

Zum Glück gab es ja noch die Waldarbeit. Vorzugsweise im Winter wurden die Bäume gefällt. Ruedeli wählte einen ausgesprochen nebligen Tag, um sich seines letzten Widersachers zu entledigen. Nachdem man eine Tanne gefällt hatte, ging man daran, mit der Axt die Äste abzuschlagen. Geduldig wartete Ruedeli ab, bis sich die Gelegenheit ergab, den Bruder zu erschlagen. Bald war der Moment gekommen, wo er ihm eiskalt die Axt in den Schädel schmetterte. Sein Bruder war sofort tot.

 

Natürlich kam die Sache vor Gericht. Richter Von Moos hörte sich alles an. Ruedeli erklärte jammernd und wehklagend, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe.

 

Richter Von Moos liess Gnade walten, sofern Ruedeli bereit sei, Sühne zu tun. Er sollte der Pfarrkirche einen Taufstein schenken.

Was Ruedeli natürlich bereitwillig tat …

 

Später fiel Ruedeli durch seine umtriebige Jägerei auf. Nichts war ihm heilig. Keinen Frevel, welchen er ausgelassen hätte. Doch Richter Von Moos sah grosszügig darüber hinweg. In Tat und Wahrheit erhielt er jeweils die bessere Hälfte für sich: Keulen, Rehrücken und dergleichen. Die Trophäen (Hirschgeweih, etc. ) überliess er grosszügig dem Schützen.

 

Doch damit nicht genug: Richter Von Moos hatte seine eigene Abschuss-Liste! Es gab wohl einige Leute, die ihm in die Quere kamen. Wie viele das waren, weiss wohl nur er und Gott allein. Man stellte lediglich fest, dass einige Menschen auf sehr merkwürdige Art zu Tode kamen.

 

Die Waschweiber stellten dann jeweils lakonisch fest:

 

Der Richter und sein Henker …